Yawl-Neubau: „Scarabee“ – das Erbe von S&S und Herreshoff | YACHT

2023-03-08 14:19:11 By : Ms. Caster Wheel ZR

Die von Sparkman & Stephens konstruierte Vorgängerin „Avanti“ gehörte einem Rothschild, diente im Zweiten Weltkrieg und endete im Sturm. Ihr Nach- und Neubau „Scarabee“ begeistert in seiner Vollendung. Ein Porträt

Holz, immer wieder Holz. Schon seit mehreren Generationen ist die Leidenschaft für den natürlichen Werkstoff in der DNA der Familie van der Aa aus Holland verankert. Pieter van der Aa, 59, trat in die Fußstapfen seines Urgroßvaters, Großvaters und Vaters, die alle Zimmerleute oder Tischler waren. Schon als kleiner Junge verbrachte er viel Zeit auf dem Hof, wo er gern mit allen Arten von Hölzern spielte.

Mit 17 Jahren baute er nur auf Grundlage einer simplen Zeichnung ein Sperrholzkanu. Zwei Jahre später richtete er unter Anleitung auf der Werft seines Onkels eine Slup aus Teakholz wieder her. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte Pieter eine Leidenschaft für seine heutige Arbeit. Kurz darauf restaurierte der Segler einen Klassiker aus der Feder des englischen Konstrukteurs Alan Buchanan. Es handelte sich um eine East Anglian 28, einen an ein Folkeboot erinnernden Langkieler aus dem Jahr 1963, den er mit seiner Familie selbst segelte.

Van der Aa entwickelte sich dann immer mehr zu einem sehr erfahrenen Bootsbauer und Tischler für Einzelstücke aus Holz in exquisiter Handarbeit. Nachdem er auf mehreren Werften gearbeitet und dort viel Erfahrung gesammelt hatte, beschloss er, sich selbstständig zu machen und sein eigenes Unternehmen zu gründen. Er begann mit dem Import von Eichenholz aus Frankreich, hauptsächlich in speziellen Langformaten, die häufiger als Industrieböden verwendet werden.

Nach einer sehr erfolgreichen Zeit bis 2009 verkaufte er sein Unternehmen und machte ein Sägewerk in Surinam auf, das von Tauchern unter Wasser in einem Stausee gefällte Hartholzbäume verarbeitete, die van der Aa hauptsächlich zu Dachziegeln zurechtschneiden ließ. Nebenbei widmete er sich weiter seiner Passion, dem Yachtbau. Als leidenschaftlicher Bootsliebhaber und mit mehr Zeit zu Hause verspürte Pieter den Drang, Holz und Segeln immer mehr zu kombinieren.

Eines der folgenden Projekte war die Fertigung von Deckshäusern, Oberlichtern und Luken für den 176 Fuß langen Schoner „Ingomar“ – ein Herreshoff-Design. Van der Aa war auch mit der Überholung des klassischen Tenders „Fiona Mary“ betraut, der 1932 von der britischen Werft Camper & Nicholsons gebaut wurde.

Über einen Zeitraum von einigen Jahren baute der Holzexperte im Alleingang bis 2010 einen Entwurf von Olin Stephens, eine klassische Slup vom Typ New York 32, den er „Masquerade“ nannte. 20 Stück der Serie hatte die Werft von Henry B. Nevins in den dreißiger Jahren in New York gebaut. Van der Aa bekam eine Ausnahmegenehmigung von Sparkman & Stephens, um ein weiteres Exemplar der Serie anzufertigen. Er wählte dafür mit der Leistenbauweise und der Verwendung von Epoxidharz eine moderne Baumethode – was man dem neu gebauten Klassiker nicht ansah und den Bootsbauer zu der Namensgebung verleitete.

Olin Stephens, der große Mann der Konstrukteursgeschichte höchstpersönlich, zeigte sich begeistert: „Sie ist eine wahrhaft einzigartige Yacht“, und bezeichnete sie als eines seiner Lieblingsprojekte. Trotzdem wurde „Masquerade“ 2013 verkauft; Pieters Wunsch war es, eine noch größere Yacht für sich zu bauen. Groß genug für längere Törns und mit der Option, an Bord wohnen zu können.

Pieter van der Aa: „Ich habe die Bücher und Zeichnungen von Olin Stephens’ Designs genau studiert. Jedes Mal fiel mir die Schönheit der Schiffe mit Jawl-Takelung ins Auge. Eines Tages segelte ich mit dem holländischen Eigner der 52 Fuß langen S&S-Yawl ‚Baccarat‘ und war restlos begeistert. Das Schiff wurde 1953 von Abeking & Rasmussen an der Weser gebaut. Sie ist heute noch wunderschön.“

Damit war Pieter van der Aa dem Thema klassische Yawl von Sparkman & Stephens endgültig verfallen. Der Bootsbauer erkundigte sich 2013 beim Chefdesigner des immer noch existenten Konstruktionsbüros S&S nach einem neuen möglichen Projekt. Kurz darauf lenkte jener Bruce Johnson die Aufmerksamkeit des Holzexperten auf „Avanti“.

Diese 56,8 Fuß lange Yawl nach einem S&S-Design wurde 1935 auf der Herreshoff-Werft in Bristol/Rhode Island gebaut. Womit die beiden größten Namen der US-amerikanischen Bootsbaugeschichte an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet hatten. Auftraggeber für „Avanti“ war der zweite Baron von Rothschild, Walter N. Rothschild. Nach ihrem Start war die Yacht erfolgreich auf vielen lokalen Regatten und bescherte ihrem Eigner viele glückliche Tage an Bord.

Zu einem gänzlich anderen Verwendungszweck kam „Avanti“ im Zweiten Weltkrieg. Im Frühjahr 1942 griffen deutsche U-Boote auf dem Atlantik die Handelsschifffahrt von und nach Europa hauptsächlich an der Ostküste im Raum New York an. Den Streitkräften der US Navy und der Küstenwache standen nicht genug Schiffe zur Verfügung, um diese U-Boote zu bekämpfen.

Sie rekrutierten daraufhin Fischerboote und private Segelyachten mit seeerfahrenen Männern, um die Küstengewässer zu überwachen. „Avanti“ wurde navygrau gestrichen, erhielt das Kennzeichen CG R-3042 auf dem Rumpf und wurde mit einem Funktelefon und Generatoren bestückt. Zur Verteidigung wurde eine Kanone an Deck montiert. „Avanti“, mit Dutzenden anderen Schiffen, sollte viele Monate lang täglich auslaufen und mehrere Begegnungen mit feindlichen U-Booten melden. Einmal verfehlte sie ein gerade aufgetauchtes Exemplar nur um wenige Meter. Sie selbst fand 1954 ihr Ende, wurde vom Hurrikan Carlon in Massachusetts an die Küste geschleudert.

Mehr noch als ihre Geschichte waren es für van der Aa jedoch ihre Linien, die ihn begeisterten, es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen, als er die Originalskizzen studierte, erinnert sich der Yawl-Liebhaber. Er kaufte die Zeichnungen, der Bauprozess begann 2013 in Heukelum. Als Namen wählte Pieter „Scarabee“. Der Skarabäus ist zwar ein Mistkäfer und als solcher weniger tauglich als Namenspatron für eine ausgesprochen hübsche Segelyacht, aber er geht auf die ägyptische Mythologie zurück, gilt dort als Glücksbringer und ist Sinnbild für die Auferstehung. Passt.

Und die Wiedergeburt nahm nun auch für „Avanti“ Formen an. Diese war auf der Herreshoff’schen Werft konventionell mit Planken auf Spanten gebaut worden. Für „Scarabee“ wurden die Zeichnungen für eine moderne Bauweise übersetzt. Auf ein Mallengerüst wurden Leisten aus Rotzeder geschraubt und geklebt. Der Verbund erhielt drei innere und äußere Lagen aus Glasfasergelegen und Epoxidharz und wurde mit Spanten aus Mahagoni ausgesteift. Das Verfahren dauerte drei Jahre, van der Aa arbeitete komplett allein. Er erinnert sich noch heute an einen Höhepunkt: „Der Moment, als wir den Rumpf umdrehten und aufstellten, war geradezu magisch. Plötzlich sah man ein richtiges Boot vor sich!“

Dann folgte in vier weiteren Jahren der Ausbau. Pieter änderte das ursprüngliche „Avanti“-Interieur nach modernen Standards. Vorn liegt die Eignerkabine mit angrenzendem Bad. Mittschiffs gibt es zwei bequeme Sofas mit klappbarem Tisch für acht Personen. Dahinter ist die Kombüse an Backbord und der Navigationstisch an Steuerbord untergebracht. Zwei Gästekabinen befinden sich beidseits unter dem Cockpit.

Der Ausbau, die verwendeten Hölzer, die offen sichtbaren Decksbalken, dazu hell abgesetzte Flächen vermitteln pures klassisches Yacht-Feeling und erinnern an die Gestaltung klassischer Yachten von der US-Ostküste. Van der Aas Wissen und Leidenschaft für Holz kommt in allen verwendeten Holzarten wieder richtig zur Geltung. Er fügt hinzu: „Exquisite Hölzer zu kombinieren fasziniert mich. Western Red Cedar für den Rumpf, Teakdecks, mit Teakholz verkleidetes Deckshaus, Gangwayrahmen, Luken, Oberlichter und Cockpit. Im Innenraum habe ich lackierte Eichenrahmen mit weiß gestrichenen Deckenlatten verwendet. Das Deckshaus hat eine Dicke von 14 Millimeter Teak außen und dieselbe Stärke aus Mahagoni innen. Ich mag kein Furnier, und auf diese Weise wird die Yacht viele Generationen überdauern. Der Innenboden besteht aus lackierter heller Oregon-Kiefer, die Wasser von nassen Segelstiefeln gut widerstehen kann.“

Sein Ziel war es, „Scarabee“ mit größtem Respekt für das ursprüngliche „Avanti“-Design unter Beibehaltung des Segelplans zu bauen. Aber er nutzte auch die Errungenschaften moderner Technik: Eine aktuelle Navigationsausrüstung ist auf dem veritablen Langkieler ebenso installiert wie ein Bugstrahlruder.

Für das Rigg fiel die Wahl nach reiflichen Überlegungen auf Aluminium statt Holz, da das Material pflegeleichter ist. Die Bäume jedoch hat der Holländer selbst aus Sitka-Fichte gefertigt. Diese wurden mit zwei Schichten Glas-Epoxid-Laminat geschützt und verstärkt.

Die Tücher von Segelmacher Simon den Boer sind schneeweiß und mit karamellfarbenen Details ausgestattet, sie tragen wie „Avanti“ die Konstruktions-Nummer 85. Das Rigg mit Klüver, Fock, Großsegel und Besan ist auf einfache Bedienung ausgelegt und einhandtauglich. Das laufende Gut besteht aus modernem Hochleistungstauwerk. Die Decksbeschläge sind farblich aufeinander abgestimmt. Die Klampen und andere Details bestehen aus rostfreiem Stahl und harmonieren mit den verchromten Andersen-Winden. Die Genuaschienen sind aus eloxiertem Aluminium maßgefertigt.

Und im Sommer 2021 war es endlich so weit, „Scarabee“ wurde in Heukelum feierlich ins Wasser gehoben, nach siebenjähriger Bauzeit. Eine Woche später stand das Rigg. Und dann wurde die Marina Colijnsplaat am Südufer der Oosterschelde der neue Heimathafen der schneeweißen Schönheit.

Nach diversen kleinen und großen Arbeiten am Boot und seiner Ausrüstung fanden die ersten Testschläge statt. Der sonnige Tag begann mit einer leichten Brise, später frischte der Wind auf Stärke vier auf. Zur großen Freude des stolzen Eigners reagierte sein Werk sofort und zeigte sich sehr agil, „Scarabee“ erreichte mühelos eine Geschwindigkeit von acht Knoten und erwies sich dabei als sehr kurstreu. Ein schöner Tag als Abschluss eines sehr langen Prozesses.

In naher Zukunft plant Pieter van der Aa längere Reisen in Europa; Frankreich und England hat die S&S-Replik bereits besucht. Die Ostsee ist ganz oben auf seiner Bucket List zu finden. Und auch Klassiker-Regatten stehen an.

Pieter: „Ich habe hart und sehr lange an diesem großen Wunsch gearbeitet, mir eine eigene Yacht gebaut, und jetzt möchte ich das Verhältnis von Arbeit und Freizeit besser austarieren. Sollte jemand kommen und so ein Boot bei mir bestellen, baue ich es gern noch mal, diesmal jedoch nicht wieder im Alleingang.“ Er würde dann mit anderen qualifizierten Schiffbauern das Projekt umsetzen und so den Bau auch in einer viel kürzeren Zeit realisieren können. Obendrein möchte er dazu beitragen, den Lehrberuf des Holzbootsbauers zu erhalten, und junge begeisterte Lehrlinge ausbilden. Und neben dem Bootsbau und der Restaurierung steht van der Aa für Beratungen von jeder Art von Holzprojekten zur Verfügung, ist als Experte bei zwei Restaurierungsprojekten in den Niederlanden tätig.

Nach einigen Monaten mit weiteren umfangreichen Detailarbeiten beschloss der Bootsbauer und Holzexperte, sich um eine Nominierung bei den hoch angesehenen Classic Boat Awards des britischen Klassikermagazins „Classic Boat“ zu bewerben. Was sich gelohnt hat: „Scarabee“ gewann den Preis in der wichtigen Kategorie „Traditionelle Neubauten aller Größen“. Verdient.

Teil der Delius Klasing Verlag GmbH