Das Potenzial von Formgedächtnislegierungen für die Automobilindustrie

2023-03-08 14:19:20 By : Mr. Kevin Guo

Mit Formgedächtnislegierungen können bestehende Mechanismen verbessert oder komplett neue Kinematiken realisiert werden. Csi entwickelt für die Automobilindustrie interessante Lösungen.

Formgedächtnislegierungen – kurz FGL – sind Metalle wie beispielsweise Nitinol (Nickel-Titan), die sich nach einer Deformation an ihre ursprüngliche Form erinnern und diese nach einem Energieeintrag wieder einnehmen können. Diese Eigenschaft wird als Formgedächtniseffekt bezeichnet und lässt sich nicht nur in Metalllegierungen beobachten sondern auch in Polymeren und Keramiken.

Csi ist spezialisiert auf den Produktentstehungsprozess der Automobilbranche. Laut Technologieexperte Daniel Gruner unterscheidet man grundsätzlich drei Effekte: den 1-Weg-, 2-Wege- und Superelastizitäts-Effekt. Der Ingenieur erklärt: „Das Material lässt sich im kalten Zustand bis zu einer Dehnung von rund 8 % pseudoplastisch verformen. Pseudoplastisch heißt, dass die Metallatome nicht diffundieren, sondern auf ihren Gitterplätzen bleiben und das Gitter lediglich umklappt. In welche Form das Material gebracht wird, ist beliebig. Erhitzt man die verformte FGL über ihre Umwandlungstemperatur, werden die Gitter der Legierung angeregt, in ihre antrainierte Grundform zurückzuklappen. Die FGL nimmt ihre ursprüngliche Form wieder ein.“ Dieses Verhalten wird auch 1-Weg-Effekt genannt. Nutzbar wird die Rückverformung allerdings erst, wenn mit ihr eine Kraft erzeugt werden kann. Je größer die pseudoplastische Verformung und je mehr das Material daran gehindert wird, seine ursprüngliche Form einzunehmen, desto höher ist die Kraft, welche aus der Bewegung gewonnen werden kann.

Der sogenannte 2-Wege-Effekt gleicht dem 1-Weg-Effekt mit dem Unterschied, dass das Material im kalten Zustand eine Vorzugsform besitzt. Wird die FGL aus ihrer Vorzugsform heraus erhitzt, klappen die Gitter in ihre eigentliche Grundform um. Kühlt das Material danach unbelastet ab, nimmt es seine Vorzugsform wieder ein. Nutzbar ist allerdings nur die Rückverformung in die eigentliche Grundform. Im kalten Zustand ist das Material aufgrund seiner Pseudoplastizität zu leicht verformbar, um nutzbare Kräfte erzeugen zu können. Bei welcher Temperatur die Rückverformung stattfinden soll, lässt sich maßgeblich durch die Legierungszusammensetzung beeinflussen. Je höher der Nickelanteil, desto niedriger die Phasenumwandlungstemperatur. Die Temperatur wird dabei durch elektrischen Strom (Heizwiderstand) oder externe Heizelemente bzw. Heizmedien eingebracht.

Ein weiterer Effekt ist die Pseudoelastizität. Dabei befindet sich die FGL stets über ihrer Umwandlungstemperatur, die auch bei Raumtemperatur liegen kann. Dehnt man das Material über seinen real-elastischen Anteil von etwa 0,2 bis 0,5 % hinaus, klappen die Gitter mit steigender Dehnung immer weiter um. Wird das Material wieder entlastet, schnappen die Gitter gummiartig zurück in ihre Grundform. Dieser Effekt funktioniert bis zu einer Dehnung von zirka 6 %, was die Elastizität konventioneller Metalle bis zum zwanzigfachen übertrifft. Man spricht hier auch von Superelastizität.

Daniel Gruner ist überzeugt, dass sich für die Automobilindustrie mit FGL bestehende Mechanismen vereinfachen und künftig komplett neue Kinematiken realisieren lassen. Formgedächtnisaktoren sind vor allem für geräuschlose Bewegungen mit begrenzten Stellwegen im Bereich von bis zu 16 mm bei einem 200 mm langen Zugdraht ohne Kraft- oder Wegübersetzungen geeignet.

Die Stellkräfte und Stellwege können durch die Halbzeugform und das Wirkprinzip (Zug, Druck, Torsion, Schub und Biegung) maßgeblich beeinflusst werden. Die Vielfalt der Halbzeugformen ist groß. So werden neben Drähten und Drahterzeugnissen (Stents, Drahtfedern etc.) auch Bleche und Hülsen angewendet. Außerdem kann das Material 3D-gedruckt werden. Allen Formen ist gemein, dass der Bauraum – bei intelligenter Gestaltung der Kinematik – meist lediglich so groß ist wie der Formgedächtnisaktor selbst.

Csi hat auf Grundlage einer Bachelorarbeit ein Folien-OLED-Display, kurz FOLED, entwickelt, welches durch eine, auf dem 1-Weg-Effekt basierende, FGL-Kinematik ausgerollt wird. Das Display könnte beispielsweise unter der Instrumententafel-Oberseite positioniert werden.

Das Wirkprinzip: Eine Schraubenzugfeder aus FGL wird durch zwei herkömmliche Schenkelfedern auseinandergezogen und um die Displayrolle gelegt. Beim Erhitzen der Feder zieht sich diese zusammen und dreht die Rolle aus eigener Kraft zurück. Dabei rollt sich das FOLED-Display von der Rolle ab. Jetzt geht es um die Optimierung des Konzepts. Daniel Gruner dazu: „Wir haben inzwischen die FGL-Feder so ausgelegt und validiert, dass sie den definierten Stellweg erreicht". Zusätzlich arbeitet Csi an der Steuerung und Regelung der FGL-Aktoren und baut einen Prüfstand auf, mit dem über die Zeit der Stellweg, die Stellkraft und der elektrische Widerstand aufzeichnet werden können. (qui)

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